Die Geschichte einer Katastrophe
Alles beginnt im fernen Jahr 1920. Italiens Regierung beschließt, den Wasserspiegel des früheren Mitter- und Obersees um fünf Meter zu heben – kein Grund zur Besorgnis, wären die Orte Graun und Reschen von einer Stauung in diesem Ausmaß unverschont geblieben. Doch dabei sollte es nicht bleiben. 1939 arbeitet der italienische Montecatini-Konzern einen neuen Plan aus, welcher eine Anhebung um 22 m vorsieht. Das Projekt wird von der faschistischen Regierung in Rom gutgeheißen, doch der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kommt dem Baubeginn zuvor. Erst nach Kriegsende werden entgegen den Protesten der einheimischen Bevölkerung die Arbeiten fortgesetzt – mit verheerenden Folgen. Im Sommer des Jahres 1949 begehen die Einwohner ihren letzten Kirchtag, bereits ein Jahr später sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Mehr als 160 Gebäude samt fruchtbarem Kulturboden fallen den Fluten zum Opfer; Hunderte Menschen werden umgesiedelt.
Impressionen aus Graun im Vinschgau und vom Reschensee, Südtirol
Die Gegenwart: Graun, ein beliebter Urlaubsort
Knapp 2.400 Einwohner zählt die Gemeinde Graun in Südtirol mit den Fraktionen Reschen, St. Valentin und Langtaufers, heute. An die für Land und Leute „historische Katastrophe“ erinnert nur noch der denkmalgeschützte Kirchturm von St. Peter – der Rest des alten Dörfchen liegt verborgen am Grund des Sees, untergegangen wie einst das mythische Inselreich Atlantis. Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb ist „Neu“-Graun heute ein mehr als nur beliebtes Urlaubsziel für Feriengäste aus aller Welt. Und wahrlich, zu erkunden und erleben gibt es in Graun und rund um den Reschensee und den Reschenpass reichlich.
Im Sommer lockt der 677 ha umfassende Reschensee Schwimmer, Segler und Surfer in den Vinschgau. Aber auch Radurlauber statten dem Geburtsort des Südtiroler Schriftstellers Sepp Mall nur allzu gerne einen Besuch ab, führt doch die bei großen wie kleinen Bikern gleichermaßen beliebte Fahrradstrecke Via Claudia Augusta durch die Region. Wanderer, denen übrigens ein Besuch der urig-schönen Weiler Rojen oder Kapron im Langtauferer Tal wärmstens zu empfehlen ist, erholen sich an den Ufern des Sees von Ihren Bergtouren im Vinschger Mittel- und Hochgebirge.
Wenngleich es einem als Feriengast im Winter alles andere als leicht fällt, die wohlig warmen Unterkünfte in Graun am Reschensee – egal, ob Hotels oder Ferienwohnungen – zu verlassen, sollte man es tun. Die Gründe liegen auf der Hand: Mit den Skigebieten Maseben, Schöneben-Haideralm sowie dem im benachbarten Österreich gelegenen Wintersportort Nauders hat die Gemeinde Graun alles, was Skifahrerherzen höher schlagen lässt. Genussreiche Spaziergänge, Schneeschuhwanderungen oder spektakuläres Snowkiting an der spiegelglatten Oberfläche des Reschensees runden das aktive Urlaubsangebot der Südtiroler Feriengemeinde ab.